(Kommentare: 0)

Mut zur Forschung und Veränderung im Rettungsdienst

Alumni-Interview mit Robin Arlt

 

Robin Arlt arbeitet in der Einsatzplanung bei der Feuerwehr Hanau, ist passionierter Notfallsanitäter und ehrenamtlicher Ausbilder im Katastrophenschutz. An der Akkon Hochschule für Humanwissenschaften hat er im vergangenen Jahr den Bachelorabschluss Emergency Practitioner B.Sc. (Fachbereich Bevölkerungsschutz und Humanitäre Hilfe) erlangt und durch das Studium eine neue Leidenschaft entdeckt: die wissenschaftliche Herangehensweise an Probleme und Fragen des Berufsalltags im Bevölkerungsschutz. In seiner Bachelorthesis hat er sich damit beschäftigt, wie die Sicherheit im Rettungswagen verbessert werden kann. Nicht nur ein spannendes Thema, sondern auch eine Arbeit, die wissenschaftlich fundiert konkrete Anregungen für die Praxis liefert. Das befand auch der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR), der den Absolventen der Akkon Hochschule mit dem ersten Platz des DVR-Förderpreises auszeichnete.

„Sicherheit und Ergonomie während der Fahrt in Krankenkraftwagen nach DIN EN 1789 Typ C“ lautet das Thema Ihrer ausgezeichneten Bachelorarbeit. Worum geht es dabei?

Hinter der etwas verklausulierten Bezeichnung verbirgt sich im Grunde der Fahrzeugtyp, der landläufig auch einfach als Rettungswagen bezeichnet wird. Also quasi das Standard-Einsatzmittel im deutschen Rettungsdienst, mit dem tagtäglich tausende Einsätze in der Notfallrettung bewältigt werden. Diese Fahrzeuge haben statistisch ein überdurchschnittliches hohes Unfallrisiko auf Einsatzfahrten. Trotz dieses hohen Risikos gibt es jedoch diverse Gefahren im Inneren des Fahrzeuges, die das Verletzungsrisiko für Personal und Patienten unnötig erhöhen. Im Rahmen der Bachelorarbeit habe ich diese größtenteils vermeidbaren Gefahren am Beispiel der Rettungsdienst-Kooperation in Schleswig-Holstein (RKiSH), einem der größten Rettungsdienst-Unternehmen in Deutschland, untersucht und Lösungsansätze identifiziert.

Mit dem ersten Preis des DVR für Ihre Bachelorarbeit haben Sie sich sogar gegen Masterarbeiten großer Universitäten durchgesetzt. Das spricht für die Exzellenz der Ergebnisse Ihrer Arbeit. Was genau haben Sie rausgefunden?

Da schlussendlich nur die Mitglieder der Jury die Gründe für die Durchsetzung gegen die anderen Bewerber kennen, tue ich mich mit Exzellenz etwas schwer. Ich könnte mir aber vorstellen, dass das Thema ein durchaus exotisches Randthema der Verkehrssicherheit beleuchtet, das Einfluss auf potentiell 100% der Bevölkerung haben kann. Immerhin plant man am Morgen eher nicht damit, dass man im Verlauf des Tages Patient des Rettungsdienstes wird.

Die Arbeit zeigt, dass die Konzeption des Patientenraums von Rettungswagen auf einer sehr traditionellen Raumaufteilung basiert. Diese hat sich in den letzten Jahrzehnten nur langsam entwickelt, wobei Sicherheit und Ergonomie geringen Einfluss auf die Entwicklung zu haben schienen. Die Verteilung von Sitzen und Material berücksichtigt daher meist nicht die Fortführung der medizinischen Behandlung während der Fahrt. In der Folge ist das Personal häufig nicht durchgehend angeschnallt und für die Behandlung benötigtes Material liegt teilweise ungesichert herum. Verunfallt nun der Rettungswagen, womöglich auch durch ein Fremdverschulden, oder kommt es nur zu einer Gefahrenbremsung, werden die Insassen häufig schwerer als nötig verletzt und sind womöglich berufsunfähig oder werden im schlimmsten Fall sogar getötet. Hier könnte schon mit geringem zeitlichen und sehr überschaubarem finanziellen Aufwand das Risiko gesenkt und die Konzeption des Patientenraums im Sinne von Sicherheit und Ergonomie angepasst werden.

Wie sind Sie eigentlich auf dieses Thema gekommen?

Die Gestaltungsmöglichkeiten bei der Fahrzeugkonzeption haben mich schon immer fasziniert. Oft habe ich bei meiner hauptamtlichen Tätigkeit im Rettungsdienst bemerkt, dass man manche Details im Fahrzeug besser oder zumindest praktikabler lösen könnte. Das wollte ich wissenschaftlich untersuchen und im besten Fall dann auch anpassen. Mit der RKiSH – insbesondere mit meinem Betreuer Jan Noelle vom dortigen Stab Technische Entwicklung, der sich auch national in Gremien wie dem DIN-Ausschuss für derartige Themen einsetzt – habe ich über Trends in der Entwicklung und aktuelle Forschungsfragen gesprochen, die die Branche insgesamt weiterbringen könnten. Denn auch wenn meine Arbeit das Beispiel der RKiSH betrachtet, war es mir wichtig, Erkenntnisse zu erarbeiten, die auch überörtlich von Nutzen sein können. In der Gefahrenabwehr gibt es, u.a. bedingt durch den Föderalismus, für meinen Geschmack schon oft genug ein „Klein-Klein“ auf Ortsebene. Auf dieser Ebene wollte ich mich jedoch nur ungern verlieren. Mit diesen Grundgedanken habe ich dann mit Jan Noelle zusammen die Idee der Bachelorarbeit entwickelt und umgesetzt.

Sie haben an der Akkon Hochschule für Humanwissenschaften Emergency Practitioner B.Sc. (heute Management in der Gefahrenabwehr B.Sc.) studiert – warum haben Sie sich für dieses Studium entschieden?

Den in der Masse verbreiteten Studiengängen konnte ich immer nur wenig abgewinnen, insbesondere da ich beruflich gerne im Bereich der Gefahrenabwehr tätig bleiben wollte. Spezifische Studiengänge für das „Blaulicht-Milieu“ sind aber noch ein vergleichsweise junges Phänomen. Während meiner Orientierung für ein geeignetes Bachelorstudium war die Mehrzahl der Studiengänge sehr ingenieurslastig. Und diese Fächer haben zugegeben nicht gerade zu meinen Lieblingsfächern in der Schulzeit gehört.

Das Studium an der Akkon Hochschule war mehr sozialwissenschaftlich geprägt. Ich konnte mich mit den enthaltenen Modulen besser identifizieren und auch einen praktischen Nutzen erkennen. In meiner heutigen beruflichen Tätigkeit hat sich diese Einschätzung nun bestätigt. Ingenieurswissenschaftliche Grundlagen vermisse ich zum Glück sehr selten, aber meine im Studium absolvierten Module haben sich in großen Teilen schon bezahlt gemacht.

Wie ging es nach Ihrem hervorragenden Abschluss weiter?

Unmittelbar nach dem Studium habe ich eine neu geschaffene Stelle bei der Feuerwehr Hanau angetreten. Hier gibt es Entwicklungen von größerer Tragweite, wie die Entwicklung zur Berufsfeuerwehr und die angestrebte Kreisfreiheit, mit den resultierenden zusätzlichen Aufgabenfeldern in der Gefahrenabwehr. Für mich ergeben sich dadurch voraussichtlich Gestaltungsmöglichkeiten in meinem Lieblingsthemenfeld Rettungsdienst durch die Übernahme der Rettungsdienst-Trägerschaft. Perspektivisch soll dann auch noch die Laufbahnausbildung für den gehobenen feuerwehrtechnischen Dienst folgen. Parallel möchte ich jedoch berufsbegleitend noch die eine oder andere Forschungsfrage im Bereich Großschadenslagenbewältigung und Fahrzeugkonzeption verfolgen, sofern es die Zeit zulässt. Hierfür habe ich mich vor kurzem auch der Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft im Rettungsdienst angeschlossen, einem noch jungen Netzwerk von Forschern, bei denen der Name Programm ist. 

Was würden Sie künftigen Studierenden im Bereich Bevölkerungsschutz, Rettungsdienst, Sicherheit etc. mit auf den Weg geben?

Dass sich der Aufwand eines Studiums auf jeden Fall lohnt! Wenn man in den einschlägigen Fachzeitschriften durch die Stellenangebote blättert, stellt man fest, dass in den letzten Jahren die Nachfrage nach studierten Fachkräften stark zugenommen hat. Bedenkt man dann noch die demographische Entwicklung, gibt es großartige berufliche Perspektiven in der Gefahrenabwehr. Vorausgesetzt man bringt die nötige Portion Ehrgeiz und eine gewisse Flexibilität mit. Man sollte sich aber unbedingt bewusst machen, dass ein Studium nicht mit den vielleicht schon vorher bekannten Lehrformen aus Lehrgängen in der Gefahrenabwehr vergleichbar ist. Hier bedarf es deutlich mehr Eigenverantwortung. Entgegen auch meiner anfänglichen Erwartung, erhält man im Studium vorrangig Strukturwissen um Zusammenhänge zu verstehen und das nötige Handwerkszeug um Probleme wissenschaftlich zu bearbeiten. Genau das ermöglicht es einem aber, sich in fast alle denkbaren Themen einzuarbeiten und so auch lange nach dem Studium neue Herausforderungen bewältigen zu können.

 

Was sind für Sie wichtige FutureSkills in den sogenannten „Blaulichtberufen“?

Zunächst wohl das wissenschaftliche Arbeiten und eine strukturierte, möglichst objektive Herangehensweise. Nach meiner Erfahrung ist die Branche geprägt von Zitaten wie „das haben wir schon immer so gemacht“. Es braucht aber auch den Mut und die Durchsetzungsfähigkeit den Status Quo wiederkehrend zu hinterfragen, damit wir in diesem wichtigen Tätigkeitsfeld jeden Tag ein bisschen besser werden, als wir es gestern noch waren. Die Herausforderungen für uns alle entwickeln sich stetig weiter und wir müssen am Ball bleiben und uns für neue Gefahren und ihre Bewältigung wappnen. Hierfür muss man auch durchaus etwas Hartnäckigkeit mitbringen. Dazu gibt es im US-Feuerwehrwesen einen sehr passenden, wenn auch etwas zynischen Spruch: „Firefighters don’t like two things – change and the way things are“. Das lässt sich auch gut auf die deutschen Gefahrenabwehrinstitutionen übertragen und muss man sich regelmäßig bewusstmachen, wenn man im Alltag auf Widerstände trifft. Mitarbeitende brauchen oft Zeit für Veränderungen und manchmal auch einen kleinen Schubs um aus ihrer Wohlfühlzone zu kommen. Es gibt aber (zum Glück) noch fast überall Mitarbeitende, die mitziehen, wenn man sie einbindet. Und das sollte man auch in jedem Fall tun! Denn jemand, der täglich in einem Bereich arbeitet, hat womöglich einen enorm wichtigen Input durch seine Erfahrung und seine individuelle Sicht der Dinge. Auch wenn Transparenz bei der Organisationsentwicklung vielerorts noch einen quasi exotischen Seltenheitswert hat, hilft diese bei der Mitarbeiterbeteiligung und dient auch zur Selbstkontrolle. Immerhin ist niemand unfehlbar und das so genannte Schwarmwissen hat schon manches Vorhaben gerettet.

Und last but not least – stellen wir unseren Alumni in Interviews immer zum Abschluss die Frage nach Ihren drei Wünschen in Hashtags. Welche wären das?

 #MehrForschunginderGefahrenabwehr

#MutzurVeränderung

#JustCultureimRettungsdienst    > Google it ;)

Vielen Dank, Robin Art, für das Interview! Wir freuen uns, dass Sie der Forschergeist gepackt hat und sind gespannt auf Ihre nächsten Projekte!

 

Zurück

Die Akkon Hochschule für Humanwissenschaften in Berlin