Achtung: Gaffen tötet!
Mit dem innovativen Projekt „Gaffen tötet“ macht die Johanniter-Unfall-Hilfe gezielt darauf aufmerksam, wie gefährlich ein vermeintlich harmloses Zusehen oder ein «schnelles Foto» an Einsatzorten sein kann. Können Rettungsteams nicht rechtzeitig den Unfallort erreichen oder werden von ihrer Arbeit abgelenkt, bedroht dies das Leben der Menschen, die Hilfe brauchen. Zusätzlich gefährden die fotografierenden oder filmenden Schaulustigen auch ihr eigenes Leben, wenn sie dadurch im Straßenverkehr unaufmerksam werden oder sich für einen «Schnappschuss» in den Gefahrenbereich bewegen. Die Akkon Hochschule hat die Kampagne mit einer wissenschaftlichen Untersuchung über 12 Monate hinweg begleitet. Nun befindet sich das Forschungsprojekt in der Auswertungsphase.
Wenngleich aus wissenschaftlicher und juristischer Sicht „Gaffen“ kein korrekter Begriff ist, stellt störendes Zuschauen kein Kavaliersdelikt dar: Seit dem 1.1.2021 gilt laut Paragraf 201a des Strafgesetzbuches, dass das Fotografieren oder Filmen von hilflosen, verletzten oder toten Personen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren belangt werden kann. Ebenso ist die Behinderung von Rettungskräften nach §323c unter Strafe gestellt.
Automatischer Warnhinweis
Hier setzt die Innovation der Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH) und der Kreativagentur Scholz & Friends an. Mit einem digitalen Design auf Basis der QR-Code-Technologie, das an Rettungsfahrzeugen angebracht wird, sollen Smartphonenutzende, die das Geschehen festhalten wollen, davon abgehalten werden. Der QR-Code löst auf dem Handy der Fotografierenden den automatischen Warnhinweis "Gaffen tötet!" aus. Im Laufe der Studie wurden mehr als 30 Rettungswagen der Johanniter mit diesem innovativen Design ausgestattet. So soll Filmenden, bzw. Fotografierenden, ihre Tat unmittelbar bewusst gemacht werden.
Wissenschaftliche Begleitung
Parallel zum praktischen Test auf der Straße werden das Phänomen des störenden Zuschauens sowie die Reaktionen auf die beklebten Rettungswagen von einem Team der Akkon Hochschule für Humanwissenschaften wissenschaftlich untersucht. Prof. Dr. Marisa Przyrembel und ihre Mitarbeitenden nutzen dabei das Wissen aus der Notfall-, Sozial- und Motivationspsychologie, um das Phänomen "Gaffen" konkreter zu erfassen. "In unserer Längsschnittstudie analysieren wir die Erfahrung der Rettenden, um Genaueres über Häufigkeit und Qualität der Störungen durch Schaulustige zu erfahren. Belastbare Zahlen dazu gibt es derzeit nicht. Auch gehen wir mit in Einsätze, um uns ein Bild von dem Problem im Feld zu machen", sagt Marisa Przyrembel.
Daten aus vier unterschiedlichen Bereichen werden derzeit ausgewertet: 1) Protokolle aus den jeweiligen Rettungseinsätzen, 2) Seitenaufrufe, die u.a. durch den QR-Code generiert werden, 3) Interviews mit Expertinnen und Experten im Rettungsdienst sowie 4) deutschlandweite Bevölkerungsbefragungen. Um Aussagen zu den möglichen Veränderungen durch den QR-Code zu ermöglichen, wurden 24 Standorte der JUH mit Fahrzeugen ohne QR-Code in die Studie einbezogen, die als Kontrollgruppe dienen.